Lesedauer 6 Minuten Verstehe Auswirkungen von Depression auf das Leben der Betroffenen und, wie du als Angehörige:r damit umgehen und Unterstützung bieten kannst.
Stell dir vor, du sitzt an deinem Schreibtisch und starrst seit Stunden auf den Bildschirm. Die Minuten scheinen sich zu dehnen und der Blick auf die Uhr bestätigt, dass nur wenige Sekunden vergangen sind. Deine Arbeit langweilt dich zutiefst und du fragst dich, ob das hier wirklich alles ist, was du aus deinem Leben machen möchtest. Wenn dir das bekannt vorkommt, dann könnte es sein, dass du unter Boreout leidest: Boreout ist ein Zustand, der genauso schädlich sein kann wie ein Burnout, aber dennoch oft ignoriert oder gar nicht erkannt wird. In diesem Artikel möchten wir dir erklären, was ein Boreout ist, wie du es erkennst und was du dagegen tun kannst.
Der Begriff Boreout stammt aus der Arbeitspsychologie und beschreibt einen Zustand von chronischer Unterforderung, Desinteresse sowie Langeweile im Job. Er ist das Gegenteil von Burnout und tritt auf, wenn es nicht genügend Aufgaben oder Arbeit gibt, so dass sich Betroffene bei der Arbeit häufig lustlos, unglücklich und unterstimuliert fühlen.
Es gibt unterschiedliche Ursachen für ein Boreout: Du kannst dich aufgrund von zu wenig Aufgaben mengenmäßig unterfordert fühlen oder aufgrund von zu einfachen Aufgaben das Gefühl entwickeln, deine eigenen Fähigkeiten nicht einbringen zu können und dich somit fachlich unterfordert fühlen. In einer aktuellen Umfrage finden ganze 41% der Befragten, dass ihr Potential bei der Arbeit nicht ausgeschöpft würde. Auch Monotonie und eintönige Aufgaben, die keine Abwechslung bieten, können zum Boreout führen.
Das Ganze mündet häufig nicht nur in viel Leerlauf und einer allgemeinen Unzufriedenheit, sondern führt in vielen Fällen auch dazu, dass sich der unangenehme Zustand verstärkt: Wer sich bei der Arbeit häufig langweilt und kaum noch Interesse für Aufgaben aufbringen kann, liefert häufig auch schlechtere Ergebnisse ab und erhält in der Folge noch weniger (interessante) Aufgaben. Das ist frustrierend und kann dazu führen, dass bestimmte Verhaltensstrategien an den Tag gelegt werden: Gerade in unserer heutigen Zeit, in der wir alle “so gestresst” sind, ist es gut verständlich, wenn Betroffene angeben, dass sie sich für ihre Unterbeschäftigung schämen. Sie wollen nicht als faul oder undankbar gelten, wollen nicht, dass ihre Langeweile bei der Arbeit auffliegt und meiden daher häufig ein ehrliches Gespräch mit Vorgesetzten. Stattdessen wird eine große Anstrengung unternommen, den Anschein zu erwecken, viel zu tun zu haben. Für kurze Aufgaben lässt man sich länger Zeit, es werden unnötige Meetings einberufen und manche machen aus Scham sogar Überstunden, um beschäftigt zu wirken. Zwischendurch werden dabei jedoch häufig private Dinge erledigt, z.B. der nächste Urlaub gebucht, die neuen Sportschuhe bestellt oder Sprachnachrichten verschickt. Hm, bezahlt werden fürs “Nichtstun”, klingt das nicht erst einmal toll?
Der Begriff Boreout leitet sich vom englischen Wort “boredome” (dt. Langeweile) ab. Unter eins der drei Hauptmerkmale fällt neben Unterforderung und Desinteresse die Langeweile. Jede:r von uns weiß, was es bedeutet, sich zu langweilen. Man findet einfach nichts zu tun und fühlt sich von nichts stimuliert. Bei der Langeweile haben wir dieses unerfüllte innerliche Verlangen danach, mit der Umwelt in Verbindung zu treten, aber die äußeren Umstände scheinen es nicht zu erlauben und der Wunsch bleibt uns verwehrt. Langweilen wir uns, fährt außerdem der vordere Hirnkortex runter - ein Teil des Gehirns, welcher auf Außenreize reagiert. Da kann es schonmal passieren, dass man sich nicht mehr aufmerksam fühlt und die Zeit doppelt so langsam zu vergehen scheint.
Die Ergebnisse einer Studie des Forschungsteams um Timothy Wilson an der University of Virginia aus dem Jahr 2014 weisen darauf hin, dass Menschen ungern Nichtstun und typischerweise nicht gern allein mit ihren Gedanken sind. Die Teilnehmer:innen der Studie hatten die Aufgabe, allein in einem schlichten Raum zu sitzen und für eine Weile ihren Gedanken nachzuhängen. Sie hatten jedoch Zugriff zu einem Knopf, über den sie sich unangenehme Stromstöße geben konnten. Und tatsächlich - etwa ein Viertel der Frauen und zwei Drittel der Männer betätigten in den 15 Minuten den Knopf mindestens ein Mal - und das, obwohl sie in der Vorrunde bei einem Test-Stromstoß größtenteils angaben, die Erfahrung nicht für 5$ wiederholen zu wollen. Die Langeweile wurde scheinbar als so quälend empfunden, dass sich die Teilnehmer:innen lieber unangenehm stimulierten, als gar keine Stimulation zu spüren. Die Studie untermalt die unangenehmen Effekte der Langeweile. Vielleicht ist es nun leichter vorstellbar, dass chronische Langeweile, Unterforderung sowie Desinteresse im Boreout-Syndrom enden können, welches von unangenehmen Symptomen begleitet wird.
Obwohl das Boreout keine wissenschaftlich erwiesene und diagnostizierbare Krankheit ist, geht es mit psychischen und physischen Belastungsfaktoren einher. Sicherlich hast du auch schonmal Langeweile bei der Arbeit empfunden – beim Boreout jedoch werden Langeweile und Unterforderung chronisch erlebt und können mit emotionalen und körperlichen Symptomen einhergehen, die denen der Depression oder auch des Burnouts ähneln können.
Die Symptome von Boreout sind von Person zu Person unterschiedlich, aber es gibt bestimmte Anzeichen, auf die du achten kannst:
Zu den Symptomen zählen ebenfalls körperliche Beschwerden z.B.:
Anhand der aufgelisteten Symptome wird deutlich, dass chronische Unterforderung und Langeweile zu innerlichem Stress, trüber Stimmung und Unzufriedenheit führen kann. Das Boreout ist also nicht zu unterschätzen.
Boreout kann negative Auswirkungen auf dein Wohlbefinden und deine Karriere haben. Daher ist es wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um dem entgegenzuwirken.
Im ersten Schritt kannst du dich selbst fragen, was du willst und was dich mehr erfüllen würde. Indem du darüber nachdenkst, welche Aufgaben und Herausforderungen du gerne übernehmen würdest oder welche Fähigkeiten du gerne verbessern würdest, erlangst du mehr Klarheit und kannst einen Plan entwickeln, um mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu erreichen.
Der nächste Schritt ist, mit deinem oder deiner Chef:in über die Situation zu sprechen. Es ist wichtig, Bereitschaft für neue Herausforderungen zu signalisieren und mögliche Lösungen zu diskutieren. Vielleicht gibt es andere Aufgaben, die du übernehmen kannst, oder du kannst an Projekten teilnehmen, die deinen Fähigkeiten entsprechen.
Sollte sich trotz dieser Gespräche nichts ändern, ist eine weitere Möglichkeit das sogenannte Job-Crafting. Das bedeutet, dass man versucht, die derzeitigen Aufgaben und Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sie besser zu den eigenen Interessen und Fähigkeiten passen. Dies kann bedeuten, dass man beispielsweise die Aufgaben anders angeht, z.B. mehr Feedback einholt oder selbst neue Fähigkeiten erwirbt, oder die Arbeitszeit flexibler gestaltet.
Es kann auch hilfreich sein, sich für mehr Stimulation im Allgemeinen auch außerhalb der Arbeit um eine interessante Tätigkeit zu bemühen, wie beispielsweise um ein interessantes Ehrenamt. Dies kann helfen, das Gefühl der Unterforderung zu kompensieren und einen Ausgleich zu schaffen.
Wenn all diese Maßnahmen nicht helfen, kann es notwendig sein, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und den Job zu wechseln. Obwohl ein Jobwechsel Risiken und Herausforderungen mit sich bringt, kann er auch eine Chance sein, neue Erfahrungen zu sammeln, deine Karriere voranzutreiben und wieder glücklicher in deinem Job zu sein.
Insgesamt gibt es verschiedene Möglichkeiten, um Boreout zu bekämpfen und mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu erreichen. Es erfordert oft Mut und Initiative, aber es kann sich lohnen, um langfristige negative Auswirkungen auf die Karriere und das Wohlbefinden zu vermeiden.
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