Artikel vom 
April 4, 2023

Hat Online-Dating Einfluss auf die Psyche?

Lesedauer 4 Minuten

Ob Tinder, Grindr, Bumble, Parship oder Hinge: Die meisten haben Online-Dating schon einmal ausprobiert. Oder sich vielleicht sogar über eine Online-Dating-Plattform verliebt. Jeder 3. Single sucht in Deutschland eine Beziehung online. Tatsächlich finden sich die meisten Beziehungen unter den 20-30 jährigen in Deutschland inzwischen übers Internet. Online-Dating wird also immer beliebter und steht im Ranking über mögliche Orte, um eine Partnerschaft zu finden, nach dem Freundeskreis und dem Arbeitsumfeld sogar auf Platz 3. Warum ist das so? Und hat es sogar einen Einfluss auf unsere Psyche? 

Was sind die Vorteile des Online-Datings?

Über Online-Dating-Plattformen ist es möglich, Menschen kennenzulernen, mit denen wir sonst nie in Kontakt kämen. Doch vielleicht geht damit auch ein gewisser romantischer Zauber verloren. Wir müssen nicht mehr zufälligerweise zur selben Stunde in derselben Bar sitzen. Stattdessen können wir  immer und überall in Kontakt mit unterschiedlichen Menschen treten, die wir sonst vielleicht nie getroffen hätten. Inzwischen ist es bei Tinder sogar möglich auf ganz unterschiedlichen Plätzen dieser Welt nach der Liebe suchen, also beispielsweise bereits vor dem Auslandssemester in Mailand schon mal die Singles dieser Stadt durch die Linse begutachten. Gerade in ländlichen Gegenden, in denen es wenig Optionen zum Ausgehen gibt, bieten Tinder & Co eine geeignete Möglichkeit, um neue Bekanntschaften zu machen. Eine Befragung zeigt, dass 54% der Nutzer:innen bei Dating-Portalen angemeldet sind, um eine Partnerschaft zu finden und nur 33% auf lockere Dates und gelegentliche Flirts aus sind. Gut ⅔ der Nutzer:innen hätten auf Online-Dating Portalen bereits eine Beziehung gefunden. 

Auf Online-Dating Portalen ist es auch möglich anonym zu bleiben, wenn man Lust dazu hat. Beispielsweise aus Angst vor Stigmatisierung, wenn wir nur etwas Lockeres suchen. Dating-Plattformen bieten somit auch eher schüchternen Menschen eine gute Möglichkeit, mit potentiellen Partner:innen in Kontakt zu kommen und von zu Hause aus, dem “Safe Space” aus, Nachrichten zu schreiben und sich zu öffnen. Vielleicht wird dabei auch mehr über sich erzählt, als bei einem ersten Treffen. 

Eine Studie zeigt zudem, dass eine Partnerschaft, die sich online gefunden hat, ein höheres Potential aufweist, nach 1 Jahr noch zu bestehen, als eine offline gefundene. Woran kann das liegen?

Über das Online-Dating lernen wir Menschen im Vorfeld besser kennen. Wir stellen Profilbeschreibungen ein und fühlen uns vielleicht sicherer, von zu Hause aus eine intime Information zu teilen als von Angesicht zu Angesicht. Vor dem ersten Treffen schreiben wir zunächst eine Weile und tauschen erste Informationen aus. Während wir uns im echten Leben meist erst verlieben und dann in den Austausch kommen, läuft es beim Online-Dating andersherum: Wir kommen zunächst per Chat in Kontakt und können uns dort intensiv austauschen. Erst dann treffen wir uns und können uns verlieben. Eine gute Basis ist also häufig bereits vorhanden, bevor die rosarote Brille aufgesetzt wird. 

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Welchen Einfluss haben Tinder & Co auf die Psyche?

Online-Dating ermöglicht soziale Interaktionen mit Menschen mit ähnlichen Interessen und Vorlieben. Es kann dazu führen, dass sich manche Menschen weniger isoliert fühlen und das Kennenlernen insbesondere bei schüchternen Menschen mit weniger Ängsten verbunden ist. Das Erhalten neuer Nachrichten, Matches und Likes kann uns kurzfristig einen “Kick” geben durch die Ausschüttung von Dopamin (“Botenstoff des Glücks”) und uns mit allerlei positiven Emotionen wie Aufregung, Vorfreude und Glück bescheren. Doch meist handelt es sich eben nur um einen kurzen Kick – häufig folgt dann Enttäuschung, wenn ein Mensch in Wahrheit ganz anders ist als online dargestellt. Oder wenn wir uns falsche Hoffnungen gemacht haben und es nicht zur Beziehung kommt. Was sind also die Gefahren von Online-Dating?

1. Enttäuschung über falsche Informationen:

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Menschen auf Dating-Apps ehrlich sind. Falsche Profile, das sogenannte  "Catfishing", können zu Frustration und Enttäuschung führen. Laut einer Studie lügen in etwa 81% bei der Erstellung ihres Online-Profils: Sie machen sich schlanker, jünger oder hübscher (bzw. mehr dem Schönheitsideal entsprechend), für mehr Matches und bessere Chancen. Männer machen zudem häufig Fotos von unten, um größer zu wirken und Frauen von oben, um kleiner zu wirken. Einige lügen bezüglich des Alters und manche stellen online ein ganz anderes Bild dar, das nichts mit der Realität zu tun hat. Die Vermittlung falscher Informationen stellt einen Vertrauensbruch dar, welcher mit Enttäuschung einhergehen kann. Ein weiteres häufiges Phänomen: Knapp die Hälfte der Nutzer:innen auf Tinder ist scheinbar in einer festen Beziehung. Entgegen der Erwartung geht es diesen Nutzerinnen jedoch häufig nicht um eine Affäre, sondern eher um Dinge wie Bestätigung fürs Ego, der Suche nach sozialen Kontakten, Neugierde an der App oder als Zeitvertreib gegen Langeweile. Wer nach einer ernsthaften Beziehung sucht, wird im Schnitt also von der Hälfte der Nutzer:innen enttäuscht.

2. Leidendes Selbstwertgefühl:

Auf Dating-Apps können wir ganz schnell auf Ablehnung stoßen: Durch fehlende Likes, Matches, unbeantwortete Nachrichten oder Phänomene wie Ghosting, was den plötzlichen Kontaktabbruch beschreibt. Das Gefühl, abgelehnt zu werden, kann zu Angst und Traurigkeit führen, insbesondere wenn sich mehrere negative Erfahrungen anhäufen. Wer “geghostet” wird und auf Nachfragen keine Reaktion mehr empfängt, wird abgelehnt ohne eine Erklärung bzw. ein Feedback. Dann beginnen wir, uns selbst die Gründe für die Ablehnung auszumalen, z.B. dass wir bestimmt wieder zu langweilig oder einfach nicht hübsch genug waren und diese Erfahrung es einem wieder bestätigt. Online-Dating vermittelt außerdem vielen das Gefühl, aufgrund von Oberflächlichkeiten wie Aussehen oder Profilinformationen beurteilt zu werden, was ebenfalls das Selbstwertgefühl negativ beeinflussen kann. 

3. Überforderungserleben durch zu große Auswahl:

Auf Tinder & Co herrscht ein Überangebot an potentiellen Matching-Partner:innen. Es ist kaum möglich bzw. vorstellbar, an den Punkt zu kommen, an dem wir alle möglichen Kontakte “geswipt” haben. Studien bestätigen, dass es bei einem Überangebot an Optionen schwerer fällt, eine Entscheidung zu treffen als bei weniger Optionen. Dann setzen Gefühle von Überforderung und Stress ein, was häufig darin endet, dass wir sich für niemanden entscheiden und ewig und erfolglos den oder die Perfekte suchen. Dies führt wiederum zu Frust und dennoch endet die ewige Liste an Gesichtern auf dem Smartphone nicht. Sie scheint uns zu suggerieren, vielleicht doch irgendwann einen oder eine Partner:in über die App zu finden, was zu vermehrtem Swipen führen kann. Das Überangebot an potentiellen Partner:innen auf Dating-Apps mindert dabei den Wert des Einzelnen, da es sofortigen Ersatz suggeriert. Dies passt gut in unsere heutige Dating-Kultur, welche im Sinne der “seriellen Monogamie” (= eine Beziehung nach der nächsten) nach einer dauerhaften Verliebtheit (durch wechselnde Partner:innen) statt Liebe, Ruhe, Vertrauen und Intimität zu streben scheint. Doch wer eine:n Partner:in fürs Leben sucht, sollte lieber versuchen, seine Ansprüche an ein perfektes Match runterschrauben (vielleicht sind die Infos eh gelogen!). Gib dir stattdessen wieder mehr Zeit zu geben, langsamer swipen und dafür mehr in die Dates zu investieren. 

Wer sich eine Beziehung wünscht, sollte versuchen, den Druck rauszunehmen und bei sich zu bleiben.

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Friederike Schubbert

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