Lesedauer 6 Minuten Verstehe Auswirkungen von Depression auf das Leben der Betroffenen und, wie du als Angehörige:r damit umgehen und Unterstützung bieten kannst.
Überstunden, Leistungsdruck, Deadlines. Kaum ist eine Aufgabe beendet, wartet die nächste bereits auf dem Schreibtisch auf dich – dir scheint es, als sei die Arbeit niemals beendet. Ein unbezwingbarer Berg an Anforderungen, Erwartungen, Meetings und Calls. Arbeiten bis zum Umfallen. Bis die Akkus auf 0% sind. Bis zum “Burnout”.
Der Begriff Burnout kommt aus dem Englischen von “to burn out” und bedeutet auf Deutsch so viel wie ausgebrannt sein. Dieser Zustand bezieht sich zumeist auf die Arbeit und Leistungsfähigkeit.Wurde über einen längeren Zeitraum über die eigenen Grenzen gearbeitet oder wird die Arbeit nicht (mehr) als sinnvoll erlebt, können Betroffene sich ausgebrannt fühlen. Erschöpfung, Kraftlosigkeit, das Gefühl von Inkompetenz und auch emotionale Distanz und Gereiztheit resultieren daraus. Meist entsteht Burnout schleichend über eine gewisse Zeit hinweg. Deshalb wird es nicht immer direkt erkannt. Burnout kann, vor allem wenn es nicht rechtzeitig entdeckt und gehandelt wird, zu einer Depression führen. Da Burnout sich vor allem durch Erschöpfung zeigt, spricht man dann umgangssprachlich auch manchmal von einer “Erschöpfungsdepression”.
Burnout entsteht häufig durch chronischen Stress am Arbeitsplatz als Auslöser und wird durch die folgenden 3 Symptomen definiert:
Es müssen dabei nicht alle 3 Symptome auftreten. Burnout entwickelt sich meist schrittweise über eine längere Zeitspanne, bis zur totalen Erschöpfung. Diese kann sich dann sogar in den “kleinsten” Alltagsaufgaben zeigen, wie dem Saugen des Zimmers oder der Frage, welchen Pullover man morgens anzieht.
Der Begriff Burnout wurde erstmals in den 70er Jahren vom US-amerikanischen Psychotherapeuten Freudenberger geprägt. Dieser beschrieb das Burnout als Ergebnis eines anhaltenden arbeitsbedingten Stresses, welcher vor allem Menschen mit “brennenden Ambitionen” betreffen würde. Er bemerkte, dass vor allem Menschen in helfenden Berufen (Ärzt:innen, Psycholog:innen, Krankenpfleger:innen) sich häufig in ihrem Beruf aufopfern, sich selbst vergaßen und von Erschöpfung berichteten. Im Laufe der Zeit wurde die Definition jedoch ausgeweitet, auf alle Menschen, die sich von der Arbeit erschöpft, ausgelaugt und überfordert fühlen.
Dabei gibt es unterschiedliche Faktoren, die ein Burnout begünstigen. Dies sind meist externe Faktoren wie:
Weiterhin spielen genetische Faktoren sowie gewisse Persönlichkeitsfaktoren eine Rolle bei der Entwicklung eines Burnout-Syndroms, so beispielsweise
Natürlich ist es normal, auf Stress am Arbeitsplatz erschöpft oder genervt zu reagieren. Hält dieser Stress jedoch länger an und du beginnst, dich nicht nur erschöpft, sondern ebenfalls unkonzentrierter, weniger leistungsfähig oder emotional distanziert zu fühlen, suche dir lieber professionelle Hilfe, damit es nicht zum Burnout kommen muss oder dieser richtig behandelt werden kann. Auch mögliche dahinterstehende psychische Störungen können so frühzeitig erkannt werden.
Du solltest nicht allein entscheiden, ob es sich um Burnout oder etwas anderes handelt. Ein:e Ärzt:in oder Psychotherapeut:in schaut sich deine individuelle Situation und Symptome an, sodass dann gemeinsam mit dir entschieden wird, wie eine geeignete Behandlung aussehen kann. Das ist sehr unterschiedlich, manchmal reicht vielleicht eine “Auszeit” vom Job, in einigen Fällen ist jedoch auch eine Psychotherapie notwendig.
Zur Behandlung von Burnout wird in der Therapie erst einmal deine individuelle Situation angeschaut, um herauszufinden, was bei dir zu Stress und Überlastung führt oder geführt hat. Weiterhin wirst du Strategien zur verbesserten Stressbewältigung lernen, zum Beispiel durch Problemlösetraining oder das Erlernen neuer, förderlicher Denkweisen und Einstellungen. Auch das Erlernen und regelmäßige Durchführen von Entspannungstechniken ist in der Therapie gegen Burnout ein häufiger Bestandteil.
Wenn du eine Veränderung bemerkst und dich in den o.g. Symptomen wiederfindest, ist es ratsam, schnell zu handeln. Fällt dir eine leichte Erschöpfung und Unkonzentriertheit auf, reicht es vielleicht, wenn du zunächst selbst Maßnahmen ergreifst, um dagegen anzugehen. Folgende Tipps können helfen, um mit Stress am Arbeitsplatz besser umzugehen:
Lerne “Nein” zu sagen und dich abzugrenzen, indem du dir bewusst machst, dass du damit deine Autorität stärkst. Ein Nein zu anderen ist ein Ja zu dir. Es ist ein Akt der Selbstliebe. Falls dir dies schwerfällt, frage dich, ob es für dein Leben in 5 Jahren wohl noch eine Rolle spielt, diese Extraaufgaben übernommen zu haben? Ist die Extraarbeit so wichtig, dass du dafür deine Gesundheit aufs Spiel setzen musst? Manchmal hilft es, “rauszuzoomen”, sich beispielsweise Dokus vom Universum anzuschauen, um alles in Relation zu setzen und sich bewusst zu machen, wie vergleichsweise “unwichtig” es für die Welt ist, wenn wir mehr arbeiten.
Stress per se ist nichts Schlechtes, vielmehr geht es um einen effektiven, gesunden Umgang damit. Eine Studie an der Universität Wisconsin fand heraus, dass Stress nur dann krank machte, wenn die Teilnehmenden angaben, Angst vor Stress zu haben und Stress folglich negativ bewerteten. Es ist also bereits hilfreich, Stress als etwas Gutes zu verstehen: Als die maximale Bereitstellung von Energie deines Körpers, der dir hilft, eine schwierige Situation zu durchstehen. Versuche Stress als Anzeichen für eine Pause zu sehen. Stress ist eine Kompetenz deines Körpers dir zu signalisieren, dir etwas Ruhe zu gönnen.
Sich Zeit für Entspannung zu nehmen, ist die wichtigste Strategie, Stress vorzubeugen und zu vermeiden. Versuche regelmäßig kurze Pausen einzulegen und beispielsweise eine Atemübung (10x tief ein- und ausatmen oder die Lippenbremse) oder andere Entspannungsübungen durchzuführen. Dabei entspannst du dich nicht nur, sondern steigerst auch die Achtsamkeit für deinen Körper und somit deine Selbstwahrnehmung. Dies wiederum hilft dir dabei, die Warnsignale deines Körpers besser und schneller wahrzunehmen (z.B. schlechter Schlaf/ Appetit, körperliche Schmerzen, Grübeln, Gereiztheit).
Versuche, die äußeren Umstände aktiv zu verändern. Suche die Kommunikation mit deinen Vorgesetzten und Kolleg:innen und traue dich, deine Grenzen und Schwierigkeiten aufzuzeigen. Sprich deine Veränderungswünsche an und merke: Wünschen kannst du dir erstmal alles. Wie du schließlich damit umgehst, wenn dir deine Wünsche nicht erfüllt werden, bleibt dir überlassen. Falls sich im Außen nichts oder nur kaum etwas verändert, frage dich ehrlich, ob es dir der Job wirklich wert ist.
Um einen Ausgleich zu anstrengenden und stressigen Zeiten bei der Arbeit zu finden, solltest du versuchen, jeden Tag auch schöne Aktivitäten einzubauen, zum Beispiel ein Hobby zu finden und dem nachzugehen, soziale Kontakte pflegen, auf Veranstaltungen gehen oder Kultur- oder Sportangebote wahrnehmen. Das baut einen Puffer auf, um Stress abzufedern.
Selbst, wenn du dich nur ein bisschen in diesem Text wiederfindest, möchten wir dir ans Herz legen, dich um professionelle Hilfe zu bemühen.
Warte nicht, bis deine Kerze ausgebrannt ist, sondern suche dir frühzeitig therapeutische Unterstützung.
Medizinische Diagnosen werden in Deutschland nach dem Internationalen Klassifikationssystem der Erkrankungen der WHO (ICD) vergeben. Zurzeit wird in der Praxis noch häufig mit dem ICD-10 gearbeitet, doch seit 2022 gibt es mit dem ICD-11 eine Neuauflage, welche zunehmend in die Praxis integriert wird. Sowohl im ICD-10 als auch im ICD-11 wird Burnout nicht als Krankheit oder psychische Störung eingeordnet, sondern als ein “Faktor, der die Gesundheit beeinflusst und zu einer Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führt”.
Im ICD-10 wurde Burnout in der deutschen Fassung bisher als “Ausgebranntsein” bezeichnet und gehörte zu den “Problemen mit Bezug auf Schwierigkeiten mit der Lebensbewältigung”. Eine Definition für Burnout gibt es im ICD-10 nicht. In der neuen Fassung des ICD, dem ICD-11, sieht das nun anders aus. Dort steht der Begriff Burnout nun explizit drin. Er wird definiert als Syndrom in Folge von “Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann”. Damit bezieht sich Burnout speziell auf den beruflichen Kontext und nicht auf Erfahrungen in anderen Lebensbereichen.
Die Aufnahme von Burnout kann einerseits als Fortschritt betrachtet werden, da eine spezifische Nennung und Diagnose auch eine gezieltere Forschung ( Untersuchungen zu Häufigkeit und Verlauf) und spezifische Behandlung ermöglicht. Bisherige Forschung zu Burnout ging häufig von unterschiedlichen Definitionen aus, sodass es schwierig war, die Ergebnisse zu vergleichen oder auch Unterschiede und Differenzen zu anderen psychischen Störungen (v.a. Depressionen) zu finden.
Andererseits gibt es Kritik darüber, dass die neue Definition von Burnout unzureichend ist: Sie bezieht sich speziell auf den Arbeitskontext, ein “Ausgebranntsein” in anderen Lebensbereichen (z.B. bei der häuslichen Pflege Angehöriger) ist jedoch auch möglich. Das kann nach ICD-11 nun aber nicht als Burnout definiert werden. Weiterhin tritt eine Erschöpfung und ein Leistungsabfall selten ausschließlich im beruflichen Kontext auf, sondern weitet sich auf viele Bereiche des Lebens aus. Dies ist zum Beispiel auch bei einer Depression der Fall. Es bleibt also weiterhin ungeklärt, inwieweit Burnout mit anderen psychischen Störungen zusammenhängt. Wird nur der berufliche Kontext bei der Diagnosestellung beachtet, besteht die Gefahr, bestimmte psychische Störungen nicht früh genug zu erkennen oder zu behandeln.
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